Das Wachwitzer Geschäftsleben

Auszug aus den 1964 verfassten Erinnerungen von Robert Reißig, dem Sohn des Wachwitzer »Elbterrassen«-Besitzers August Reißig

In meiner Kindheit und Jugend verlief das Geschäftsleben in meinem Geburtsorte in zwar ruhigen, aber soliden Bahnen. Es gab dort damals schon dieselben Berufe usw., die auch heute noch vorhanden sind. Im Dorfe Wachwitz betrieb Wilhelm Fickler »an der Bachbrücke«, d. h. Ecke Pillnitzer Landstraße und Dampfschiffweg, als Kaufmann sein Kolonialwarengeschäft.

Eigentlich eine richtige Gemischtwarenhandlung, wie derartige Läden in Österreich hießen, denn man konnte bei ihm außer Kolonialwaren allerhand anderes kaufen, z.B. Eisenkleinwaren, Nägel, Schrauben, aber auch Papier und Schreibwaren.

Außerdem verwaltete er die Posthilfsstelle des Ortes und besorgte die Ausgabe der Tageszeitungen. Im Grunde, jetzt Haus Nummer 9, bestand noch ein kleines Kolonialwarengeschäft, ein sogenanntes »Büdchen«, daß von einer Familie Fähre bewirtschaftet wurde, die deshalb »Büdchen Fähres« hießen, denn es gab damals in Wachwitz eine ganze Anzahl Fähres.

Bäckerei Aehlig, Altwachwitz 1 im Jahr 1950

Das Nahrungsmittelgewerbe war außerdem vertreten durch 2 Fleischereien und 3 Bäckereien.

Der richtige Fleischermeister war Emil Haubold, im Dorfe nur der »dicke Haubold« genannt. Seine Fleischerei, die schon sein Vater betrieben hatte, befand sich in seinem Grundstücke an der Pillnitzer Landstraße, in der Nähe des Gasthofes Königs Weinberg. Der Fleisch- und Wurstwarenverkauf aber in meiner Kindheit im Ludwigschen Hause an der Bach, wo später Frisör Wiedermann rasierte, das Haar schnitt, Ohrlöcher stach und Zähne zog.

Später baute Haubald nebenan, an Stelle des alten Erdmannschen Hauses ein neues und verlegte in dieses seinen Fleisch- und Wurstwarenverkauf. Emil Haubald war Lieferant der königlichen Villa in Wachwitz und hätte sich gern den Titel »Hoflieferant« zugelegt, wenn die Erwerbung dieses Prädikates nicht mit erheblichen Geldkosten verbunden gewesen wäre.

Übrigens hätte Emil das Geld dazu gehabt, denn sein Geschäft ging sehr gut und außerdem gewann er einmal in der Sächs. Landeslotterie das »Große Los«, damals 42.300 Reichsmark netto und kurz darauf 1000 RM und die sogenannte Prämie von 30.000 RM. (…)

Eine kleine, also mehr Hausfleischerei mit Ladenverkauf war der Gastwirtschaft von Jakob, jetzt »Heinrich«, an der Haltestelle der Pillnitzer Landstraße angegliedert. Die Bäckereien, die sich »Brot-, Weiß- und Feinbäckerei« nannten, versorgten das Dorf mit Backwaren aller Art.

Die eine befand sich am Aufgange des Steinberges. Ihr Inhaber war zuerst Bäckermeister Giesel, später Paul Henke. Eine zweite stand am Dorfplatze, jetzt Altwachwitz, die von dem Bäckermeister Liebscher, genannt »Liebscher Papa«, der ganz vorzügliches Weißgebäck erzeugte, betrieben wurde.

Sein Haus mit hoher Esse wurde wohl vor etwa 20 Jahren vollständig abgerissen, ist also aus dem Dorfbild verschwunden. Im Grunde war in dem ehemaligen Mühlengebäude, etwas abseits der Straße, eine 3. Bäckerei , die einstige Mühlenbäckerei im Betrieb, bewirtschaftet von Bäckermeister … (Schreiter, die Redaktion).

Sein Nachfolger Dietrich baute später an der Straße ein stattliches Haus und verlegte in dieses den Betrieb und gliederte ihn einen Weinschank an. Nach Dietrichs Tode übernahm Bäckermeister Gössel diese dann wieder recht gutgehende Bäckerei.

Schuster Franz Göbel, Pillnitzer Landstraße 152 im Jahr 1900

Die Elbfischerei betrieben, wie schon ihr Vater, die Gebrüder Ludwig (August, Gustav, Heinrich), deren Geburtshaus »an der Bach« noch heute steht. Während Heinrich Ludwig, der jetzt noch 87-jährig in seinem Vaterhause lebt, die Fischerei als Hauptberuf ausführte, war Gustav Ludwig gelernter Zimmermann und August Ludwig betreute die Dampfschiffhaltestelle Wachwitz.

Die Landwirtschaft und Viehzucht als Hauptberuf übten die Bauern Gustav Rosig, Vater Gierth und Friedrich Neumann aus. Ihre »Güter« standen in dem jetzigen Altwachwitz , die dazu gehörigen Gebäude noch heute. Ihre Felder und Wiesen lagen zum Teil im Gelände des jetzigen Oberwachwitz, zum Teil an der Elbe an der Loschwitzer Grenze.

Das Bekleidungsgewerbe war durch den Schneidermeister Jähnigen vertreten sowie durch 2 Schuhmacher, Richter und Wehnert. Letzterer fungierte an Sonn- und Festtagen in der Loschwitzer Kirche als sogenannter »Kirchendiener«. Später, als ich bereits das Seminar besuchte, wurde im Rosigschen Hause am Dorfplatz ein Schuhwarengeschäft eröffnet, das noch heute besteht. Eigentliche Damenschneiderinnen waren im Dorfe nicht vorhanden.

Das Baufach war vertreten durch die Baumeister Pötschke August, August Böhme und Baumeister Kühn, im Dorfe nur »Meister Kühn« genannt, sowie durch eine Anzahl Maurer und Zimmerer, die damals vor allem in Dresden »auf den Bau« gingen. Wurden doch zu dieser Zeit die Häuser in Dresden-Striesen (Schandauer Straße, Borsbergstraße, Geisingstraße usw.) errichtet.

Die Tischlerei übte Meister Rödiger aus und am Steinberge gab es eine Schlosserei und in Gierth Hofe eine Schmiede. Kohlenhändler waren Wilhelm Hesse in Altwachwitz und Paul Erdmann »Pluto« genannt, an der Pillnitzer Landstraße halbwegs nach Niederpoyritz.

Viele Handwerker, die vor allem »im Grunde«, in der Ohlsche und am Schulwege ein Häuschen mit Garten oder Berg (ehemals Weinberge) ihr Eigen nannten, betrieben nebenbei etwas Garten- und Feldwirtschaft und erzeugten in der Hauptsache prächtiges Obst und Gemüse, dessen Verkauf für sie einen schönen Nebenverdienst bildete.

Ihre Frauen aber und ihre unverheirateten Töchter, auch verwitwete und unverheiratete weibliche Personen waren Wäscherinnen. In einer großen Anzahl von Wachwitzer Grundstücken waren geräumige Waschhäuser errichtet worden, in denen diese Wäscherinnen arbeiteten.

Auf den Elbwiesen lagen dann die großen und kleinen weißen Tücher, Leib-, Bett- und Tischwäsche zum Bleichen auf den frischgrünen Rasen und nachdem die Wäsche mit dem damals noch ganz sauberen Wasser der Eibe mehrmals gegossen und zuletzt in ihr gespült worden war, flatterten die zum Trocknen aufgehängten Wäschestücke lustig im Winde, der die spitzenbesetzten »Unaussprechlichen« aufblähte.

Damals gab es in Dresden noch keine Großwäschereien wie heute. Da fuhren die Waschfrauen von Wachwitz mit großen Handwagen »in die Stadt« und holten bei den »Dresdner Herrschaften« und Kaufleuten, deren Frauen sich nicht um die Hauswirtschaft kümmern wollten oder konnten, da letztere ja mit im Geschäft tätig waren, die getragene Leibwäsche und unsauber gewordene sonstige Wäsche ab, wuschen, bleichten und mangelten sie und brachten sie nach 8 Tagen, meistens montags, wieder zu ihren Auftraggebern zurück.

»Die Fuhre«, war immer der große Handwagen, der von einer besonders kräftigen Frau und einem oft vorgespannten großen Hunde gezogen und von einer oder zwei Frauen geschoben wurde. Oft trug er 6 bis 8 große vollgepackte Körbe. Es ging über Loschwitz, Blasewitz, Striesen nach Dresden und zurück.

Dieser Transport benötigte außer der Auslieferungs- und unvermeidlichen Wartezeit einen ganzen Vormittag. Während der ganzen Woche gab es im Waschhause, auf der Bleiche, auf dem Trockenplatze, an den Wäschemangeln und in den Plättstuben viel Arbeit, die aber erfreulicherweise einen schönen Pfennig Geld einbrachte.

Geschäft Montblanc-Fiedler

Als »Verschönerungsrat« wirkte, wie schon erwähnt , im Ludwigschen Hause der Frisör Wiedermann , der später in der Wachwitzer Freiwilligen Feuerwehr Hornist war und dort von sich reden machte.

Die Intelligenz war in Wachwitz während meiner Kindheit und Jugend vertreten vor allem durch den alten Arzt Dr. Mühlmann, seinem Nachfolger Dr. Hampel, der wegen seiner Fähigkeit zu hypnotisieren bekannt war, und den liebenswürdigen Dr. Leo Schmidt.

Dr. Mühlmann praktizierte im eigenen Hause an der Pillnitzer Landstraße, die letztgenannten im Geisler’schen Hause gegenüber dem von Dr. Mühlmann. Zur Intelligenz zählten natürlich auch die Wachwitzer Lehrer, sowie der Gemeindevorstand Friedrich Kühn, die Baumeister und ohne weiteres auch die in Wachwitz während des Sommers oder auch ganzjährig wohnenden, sogenannten »Herrschaften«.

An Verpflegungs-, Unterhaltungs- und Vergnügungsstätten waren in meiner Kindheit in Wachwitz folgende Lokale vorhanden: als einziger Gasthof mit Übernachtung und Tanzgenehmigung »Die Presse« (Gasthof »Königs Weinberg«), weiter die Gartenrestaurants »Ehlichs Dampfschiffrestaurant«, das über 100 Jahre bestand, »Reißigs Elbterrasse«, Jacobs Restaurant mit Fleischerei, die »Wachwitzhöhe«, das »Johannisbad« im Grunde, eine ehemalige Mühle mit Gondelteich und Johannisturm, der »Wachberg« und im letzten Wachwitzer Hause vor Niederpoyritz ein Weinschank.

Ehlichs Dampfschiffrestaurant, in dem die Schulfeste abgehalten wurden, die nur kurzlebige »Wachwitzhöhe«, das »Johannisbad« im Grunde, eine ehemalige Mühle mit gondelteich und Johannisturm, der »Wachberg« und im letzten Wachwitzer Hause vor Niederpoyritz ein Weinausschank.

Ehlichs Dampfschiffrestaurant, in dem die Schulfeste abgehalten wurde, die nur kurzlebige »Wachwitzhöhe«, das »Johannisbad« und der »Wachberg« und der Weinauschank existieren nicht mehr.

Die von meinen Eltern am 1. April 1870 eröffnete Elbterrasse, die jetzt ihren dritten Besitzer hat, erfreut sich nach wie vor eines guten Besuches. Während meiner Kindheit und Seminarzeit war hier das Geschäftsleben, dank der Unternehmungslust und Rührigkeit meines Vaters sowie der vorzüglichen Küche meiner Mutter und der tatkräftigen Mitarbeit meiner älteren Geschwister, besonders lebhaft.

Text aus Robert Reißig: »Erinnerungen eines alten Wachwitzers«, 1963, Archiv Ortsverein Loschwitz-Wachwitz e. V.